Nächtliche Aufregung und Fahrt nach Marrakech

Nächtliche Aufregung und Fahrt nach Marrakech

20.03.2020
Nächtliche Aufregung

Um 02:30 klopft es mehrmals an unser Wohnmobil und ein Kind oder eine Frau sagt etwas. Wir schrecken aus dem Schlaf hoch. Jetzt regt sich nichts mehr. Aber an einfach weiter schlafen ist nicht mehr zu denken. Wir sind der Meinung, dass es kein Deutsch war, sondern eher französisch.
Was will jemand mitten in der Nacht von uns? Müssen wir den Platz verlassen?
Zu dieser Zeit wohl kaum.
Durch die Fenster sehen wir nichts. Es ist Nacht. Wir trauen uns aber nicht, die Türe zu öffnen und nach zu sehen.

Dazu muss ich erklären, dass wir zwar in einer Gruppe zusammen, der Bereich aber sehr weitläufig und durch große Palmen getrennt ist. Wir sind vom Nächsten ungefähr 30 Meter entfernt und durch einen Palmenreihe getrennt. Wir sehen vor unseren Fenstern keinen unserer Nachbarn.

Als wir dann aber ein Fahrzeug wegfahren hören, wird es uns dann doch mulmig. Müssen wir doch vom Platz? Aber dann hätten die anderen uns doch verständigt? Und zwar lautstark, dass wir das auch mitkriegen. Also hilft nichts, wir müssen raus. Sonst haben wir keine Ruhe mehr.

Und – tatsächlich. Die Österreicher Claudia und Heimo mit ihrem Feuerwehrauto und auch Wolfgang mit seinen Landcruiser sind weg! Maren und Ralf, die Italiener und die Neuseeländer sind aber noch da. Wir finden dann auch einen Zettel vor der Türe von Claudia. Beide konnten nicht schlafen und haben sich entschlossen mitten in der Nacht los zu fahren Richtung Ceuta. Sie wollen am Stück die fast 900 Kilometer durchfahren, eine Fähre nach Spanien buchen und nach Österreich heimfahren.

Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen, mit denen er sich wohl fühlt. Auch wir überdenken natürlich immer wieder unsere Situation. Was wir gar nicht einschätzen können, ist der Ausnahmezustand und das Ausgehverbot.

Situation zum Verlassen des Landes

Wir versuchen uns übers Internet, Facebook, die deutsche Botschaft und vor allem in  WhatsApp-Foren aktuell informiert zu bleiben. Wobei viel Panikmache und unbestätigte Meldungen die Selektion schwer machen, was wahr ist und was nur auf Vermutungen und Spekulationen beruht.

Wir verlassen uns vor allem auf zwei Foren, die Maren und Ralf eingerichtet haben.

  1. Wohnmobil Ausreise Marokko
  2. Wagenburg Marokko

Also einmal für alle, die sofort ausreisen wollen und die Wagenburg für alle, die vorerst mal bleiben wollen. Auch hier muss man ein wenig selektieren und sich auf sein Gefühl verlassen.

Klar ist aber: alle Fährverbindungen von Marokko nach Europa, auch die meist genutzte von Tanger Med nach Algeciras, sind definitiv geschlossen. Man hört (bestätigt auch durch die Botschaft), dass es nur noch den Weg über Ceuta gibt. Von dort sollen Fähren nach Algeciras fahren.

Der Landstrich Ceuta im Norden von Marokko liegt zwar auf marokkanischem Gebiet, gehört aber zu Spanien. Man reist also auf dem Landweg dort nach Spanien ein und nimmt die Fähre von Spanien nach Spanien.

Alles scheint auch zu funktionieren. Sogar die Tickets, eigentlich von Tanger Med nach Algeciras bleiben auf diesem Weg gültig.  Aber es gibt auch einige Meldungen, die von Angst und Panik geprägt sind. Die Fähren fahren – die Fähren fahren nicht – schlechtes Wetter – Fähre fährt nicht – doch eine Fährgesellschaft fährt doch – hunderte von Wohnmobilen an der Grenze – wir sind gerade problemlos über die Grenze nach Ceuta – gerade verlassen zwei Fähren Algeciras – wir sind auf der Fähre – alles problemlos – Personal sehr freundlich – wir kommen nicht mehr über die Grenze … usw, usw.

Dann kommt die bestätigte Meldung, die gestern noch als Gerücht kursierte: ab heute abend 18 Uhr ist definitiv der Ausnahmezustand ausgesprochen und damit auch eine generelle Ausgangssperre. Nur noch Lebensmittel-Einkauf, Apotheke, Arztbesuch oder Weg zur Arbeit ist erlaubt. 

Keiner weiß aber, was das wirklich bedeutet. Jetzt müssen wir auch eine Entscheidung treffen. Fahren oder hier im Palmenhain bleiben?
Wegen der tollen Gemeinschaft würden wir gerne hierbleiben und wir wollen auf keinen Fall zur Grenze fahren. Viel zu unklar die Situation dort. Was nützt es uns, dann vor der Grenze oder in Ceuta in der Schlange zu stehen? Vielleicht ohne Versorgung?

Und wenn wir auf die Fähre kommen, was erwartet uns in Spanien? Was in Frankreich? Was in Deutschland?

In Deutschland ist inzwischen auch ein Ausgehverbot erlassen worden. Nicht mehr als 5 Menschen dürfen sich versammeln. Also was sollen wir in Deutschland? Wir haben ja keine Wohnung mehr und würden dann irgendwo auf einem Stellplatz stehen. Wenn man das noch darf? Gut, wir kämen auch irgendwo privat unter. Da sind wir sicher.

Wir sind uns da einig: bei diesen Aussichten bleiben wir lieber hier in Marokko in der Sonne und Wärme. Es stellt sich nur eine Frage: ist der Standort Tafraoute im Palmenhain der Richtige?
Vom Gefühl her – JA. Die tolle Gemeinschaft und Unterstützung, das gemeinsame Einkaufen, Essen und der Informationsaustausch hat was.

Aber was ist, wenn bei mir gesundheitlich etwas schief geht? Das nächste größere Krankenhaus wäre in Agadir, ca. 170 Kilometer entfernt. Unter normalen Umständen leben wir damit natürlich. Immer kann irgendetwas passieren. Tini musste in Marokko auch schon einen Tag in die Klinik „wegen Rücken“. Von meinen lebensnotwendigen Medikamenten habe ich zwar einen Vorrat. Aber in 6 Wochen habe ich dann ein Problem.

Fahrt nach Marrakech

Wir erörtern alles beim Frühstück und kommen zum Ergebnis:
Auf keinen Fall fahren wir zur Grenze aus den oben genannten Gründen. Aber wir werden die 400 Kilometer auf uns nehmen und nach Marrakech fahren. Dort ist die gesundheitliche Versorgung sehr gut und wir kennen durch Tinis Rückenprobleme bereits einen deutsch sprechenden Arzt dort.

Zudem fühlen wir uns auf dem Campingplatz SCHATZ, ca. 10 Kilometer vor Marrakech, sehr gut aufgehoben. Reinhard ist Deutscher, seine Frau Aicha ist Marokkanerin. Sie betreiben ein Hotel mit einem Campingplatz und sprechen französisch, arabisch, englisch und natürlich deutsch. Sie haben viele wichtige Verbindungen für Probleme aller Art und auch zur Polizei für aktuelle Infos zu den Reisebestimmungen.

Entscheidung: Abfahrt 11 Uhr über das kleine Atlasgebirge, Tiznit und Agadir nach Marrakech. Die Strecke wird sicherlich nicht Tinis Lieblingsstrecke! Enge, teils einspurige Bergstraßen und Serpentinen sowie starker Regen und dichter Nebel.

Sonst ist auf den Straßen viel weniger Verkehr als sonst. Auch die Orte, durch die wir fahren, sind teilweise wie ausgestorben. Andere wirken wieder, als sei nichts geschehen. Ein Autofahrer wird angehalten und erhält einen lautstarken Verweis der Polizei, weil im Auto vier Personen sitzen.

Unterwegs sehen wir schon, dass wir die Ankunft bis zum Beginn der Ausgangssperre um 18 Uhr nicht schaffen. Um 19 Uhr kommen wir dann am Campingplatz an. Problemlos ohne Sperren und ohne Kontrollen.

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